Rerchts und links des Schienenstranges

Bubenstreiche

 

Wer kennt sie nicht, die Geschichten der alten Herren, wenn winters in der gemütlich überhitzten Gaststube die schweren, dampfenden, mit Punsch gefüllten Gläser aneinander klacken und besagte Honoratioren aus der guten alten Zeit plaudern. Unwillkürlich schließt der heimlich lauschende Großstädter die Augen, denkt an Wilhelm Busch oder die Heiden von Kummerow und merkt erst jetzt, was in den Dörfern und Kleinstädten so alles abging. Einfach höllisch! Da wurde an fremden Zöpfen gezogen, deren Besitzerin diesen Liebesbeweis überhaupt nicht zu würdigen wußte, oder des Dorflehrers Hund, der wegen der auf Rache sinnenden Dorfjugend nun mit in Rizinus getränkte Fleischbällchen gefüttert wurde oder einfach nur die Ventile vom Dienstfahrrad des Landpostboten, wegen dessen Zustellung eines „ blauen Briefes“, geklaut. „ Ach, was waren wir doch für Helden.“ Plötzlich wird man jäh aus den Träumen gerissen. Fiel da nicht das Schlüsselwort Kleinbahn? Richtig, der Dicke da mit der Rotzbremse, wuste etwas lustiges zu schildern ( Rotzbremse, altgerm.: verkümmerte Haarpracht zwischen Nase und Oberlippe, ca. tausendjährige Modeerscheinung, z.Z.

megaout ).

„ Wir also rauf auf die Bühne und haben die Bremse schnell gelöst. Mann brauchte den Wagen noch nicht einmal anschieben, denn wegen eines leichten Gefälles begann er sofort zu rollen. Die Fahrt wurde immer schneller, doch als die Situation zu brenzlig wurde, beschlossen wir beim Überqueren des Flusses einfach abzuspringen. Der Wagen rollte weiter und bleib irgendwo auf der freien Strecke in einer Senke liegen. Die entsetzten Gesichter der Lokmannschaft habe ich noch heute vor den Augen.

Doch das Donnerwetter folgte. Wir mußten zum Kleinbahnpolizeibeamten und wurden dann eingehend verhört. Obwohl wir auf Grund des § 2 Abs. 1,2,3 und 8 der Kleinbahn- Verordnung vom 7.2.1902 verstießen, erhielten wir von Landgericht nur einen Verweis. Es wurde die Auffassung vertreten, daß kein Schaden aufgetreten sein. Die Dresche, die wir zu hause erhielten war nicht von schlechten Eltern. Als aber am nächsten Tag unsere Taten auch noch im örtlichen Kreisblatt veröffentlicht wurden, trafen wir auf eine erführchtige Dorfjugend. Wir waren zu Helden geworden. Und die Schmerzen beim Sitzen waren wie weggeflogen.

Der Vorgang hatte für die Kleinbahn aber noch ein Nachspiel. Das Gericht rügte die mangelnden Sicherungsmaßnahmen gegen mutwilliges oder auch unabsichtliches bewegen von Wagen an Ladestellen. Unsere Kleinbahn führte daraufhin sogenannte Gleisbalken ein.“

 

Was soll denn das sein? Gleisbalken sind Gleissperren der einfachsten Bauart. Sie bestehen aus einem ca. 1.5m langen Kantholz, das an dem einen Ende mit einem Handgriff und am anderen mit einem Rundbügel versehen ist. Der Rundbügel übernimmt dabei die Funktion eines Scharniers. Am Handgriff besteht die Möglichkeit mittels eines Vorhängeschlosses den Balken an einer Schwelle zu verschließen. Ein auf der Bohle genietetes L- Profil dient als Radabweiser. Diese Typen von Gleissperren kamen in unterschiedlichsten Ausführungen eigentlich bei allen Kleinbahnen zum Einsatz.

Da MP- Leser bekannterweise zu der Spezies der hochmotivierten und betriebsorientierten Modelleisenbahner gehören, darf auf deren Anlage diese Gleissperre nicht fehlen. Sie kommt überall dort zum Einsatz, wo ein Lade- oder Anschlußgleis direkten Zugang zum Streckengleis hat und dadurch eine Gefahr für den Zugverkehr auf der Strecke entstehen könnte.

In eine 25 X 2 X 2 mm Kiefernleiste werden zwei 0,5 mm Bohrungen für den späteren Handgriff und eine 0,8 mm Bohrung für den Umlegbügel gebohrt. Mit einer Vierkantfeile arbeiten wir den Schlitz heraus, unter dem später die Schiene liegen wird. Genau über diesem kleben wir hochkant einen dünnen 2x2x0,3mm Polysterolstreifen von Evergreen. Vor dem Einstecken des Handgriffes wird der Balken rot gestrichen. Ein 0,8mm Eisendraht wird um 180° um einen 2,5mm Bohrer gebogen. Die Schenkel des Bügels sollten schon eine Länge von 30mm aufweisen. Nach den trocknen der Farbe am Balken stecken wir den Bügel durch das Solitärloch. Um die Höhe zum Gleis auszugleichen, wird ein schwarzgebeiztes 4x2x2mm Holzklötzchen auf den Balkenschenkel geschoben. Danach erfolgt der Einbau, indem der bewußte Schlitz auf der Schiene arretiert und der Bügel in der Grundplatte versenkt wird. Und schon kann der Balken seine Funktionalität beweisen.

 

Übrigens, auf der Kreisbahn Rathenow- Senzke- Nauen, auch die „ Blindschleiche “ genannt, gibt es seit der Einführung von solchen Sicherheitseinrichtungen keine Bubenstreiche dieser Art mehr. Warum die RSN übrigens den Namen „ Blindschleiche “ erhielt, erfahren wir im nächsten Mittelpuffer, dem Organ des Fortschritts etcetera p.p..